Sri Aurobindo

1872 – 1950

Sri Aurobindo wurde am 15. August 1872 in Calcutta geboren und als Siebenjähriger nach England geschickt. Bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr besuchte er Schulen und Universität in England, wo er englische und französische Literatur studierte, sowie Poesie und europäische Geschichte. Sri Aurobindos Interesse an Dichtung erwachte während seiner frühen Jugend in England. Er lernte von kleinauf Französisch und genügend Deutsch, Italienisch und Spanisch um Goethe, Dante und Calderon im Original zu lesen und kannte die wichtigsten Werke der klassischen europäischen Literatur. Er verfasste zudem brillante Aufsätze zur Literaturkritik. In englischer Sprache erreichte er seltene Meisterschaft. Sein intellektuelles Talent machte ihn zu einem vorzüglichen Gelehrten in Griechisch und Latein. Nach Vollendung seines Studiums in Cambridge verliess er England und begann in Indien seine Laufbahn als Erzieher und Schriftsteller.

Als Sri Aurobindo 1983 nach Indien zurückkehrte, verbrachte er zunächst dreizehn Jahre im Staatsdienst von Baroda, wo er in fundamentaler Weise sein Wissen um das Erbe der indischen Kultur und die aktuelle politische Lage des Landes vertiefte. Er lernte fünf weitere indische Sprachen und meisterte das antike Sanskrit.
1906 ging er nach Bengalen, wo er offen der Bewegung zur Befreiung Indiens von englischer Herrschaft beitrat und sich ganz dem politischen Freiheitskampf Indiens widmete. Seine Tageszeitung Bande Mataram entwickelte sich rasch zur wichtigsten und stärksten Stimme der Indischen Nationalen Befreiungsbewegung. Der wachsende Einfluss seiner Artikel und seiner Reden beunruhigte zunehmend die britische Kolonialregierung. 1908 wurde er als Revolutionär verhaftet. Im Gefängnis verbrachte er die meiste Zeit in yogische Praxis vertieft und hatte dort eine Reihe von entscheidenden spirituellen und mystischen Erfahrungen, die seinen Lebenslauf vollkommen veränderten und ihm eine neue Richtung gaben.

Bis 1910 setzte er seine Tätigkeit in der Widerstandsbewegung fort, dann zog er sich, innerem Geheiss folgend, von aktiver Politik zurück und liess sich in Pondicherry nieder, um sich ausschliesslich der Konzentration auf seinen Yoga und der spirituellen Arbeit zu widmen. In vierzehnjähriger strenger Einsamkeit entwickelte er seinen ‘integralen Yoga’, der das Ziel hat, den Menschen umzuformen. Der Mensch, das mentale Wesen, hat als Träger der Evolution  mit Hilfe des ewigen Wahrheitsbewusstseins das supra-mentale Wesen als vorläufiges Endglied der Entwicklung anzustreben.
Ab 1914 veröffentlichte Sri Aurobindo die meisten seiner Hauptwerke in der von ihm gegründeten philosophischen Monatszeitschrift Arya und arbeitete an seiner umfassenden yogischen Methode – einem Weg, der die menschliche Natur transformieren und das Leben vergöttlichen sollte – diesem Ziel widmete er sich den Rest seines Lebens.
Sri Aurobindos Konzeption vom zukünftigen Menschen fand ihren philosophischen, yogisch-spirituellen und höchst poetischen Niederschlag in seinen Werken, die in einer 30 Bändigen Gesamtausgabe vorliegen.
Er gilt ebenfalls als produktiver Dichter in englischer wie auch in weiteren Sprachen, verfasste Sonette, dramatische Gedichte und schuf epische Werke.

Sri Aurobindo verliess den Körper am 5. Dezember 1950.
Seine Arbeit geht weiter – an der Verwirklichung und Manifestation seiner Schau arbeiten Hunderte von Schülern in seinem Ashram in Pondicherry und Tausende in aller Welt.

Quelle: SABDA-Buchkatalog (2005)

Etwas von Sri Aurobindos mannigfachem Erleben und Streben, Verwirklichen und Wirken bezeugt sich in einem vielseitigen Schrifttum, angefangen mit dem ersten veröffentlichten Gedicht des Zehnjährigen bis zu den zuletzt diktierten SAVITRI-Zeilen 1950. In seiner 64seitigen Monatszeitschrift ARYA veröffentlichte er ab 1914 sechseinhalb Jahre lang die meisten seiner Hauptwerke. Und als er seit 1926 nach einer grundlegenden Verwirklichung seine Zimmer nicht mehr verließ, unterhielt er mit seinen Schülern, vor allem in den 30er Jahren, einen umfassenden Briefwechsel. All diese Schriften sind Teil von Sri Aurobindos fortdauerndem Wirken.

“Mein Leben und mein Yoga sind immer, seit meiner Ankunft in Indien, diesseitig wie auch jenseitig gewesen, ohne Ausschliesslichkeit auf der einen oder andern Seite. Alle menschlichen Belange sind wohl diesseitig, und die meisten sind in mein geistiges Feld getreten und einige, wie die Politik, auch in mein Leben; zugleich aber, seit ich meinen Fuß auf indischen Boden setzte, auf der Landungsbrücke in Bombay, begann ich spirituelle Erfahrungen zu haben, die aber von dieser Welt nicht geschieden waren, sondern zu ihr einen innern und unendlichen Bezug hatten, wie ein Gefühl vom allen stofflichen Raum durchdringenden Unendlichen und vom Innewohnenden in stofflichen Dingen und Körpern. Gleichzeitig ward ich gewahr, daß ich übersinnliche Welten und Ebenen betrat, die auf die stoffliche Ebene Einflüsse ausübten und eine Wirkung zeitigten, so dass ich keine klare Trennung, keinen unversöhnlichen Gegensatz ausmachen konnte zwischen dem, was ich die beiden Enden des Daseins genannt habe, und allem, was zwischen ihnen liegt. Für mich ist alles Brahman, und ich finde das Göttliche überall.”

“Der Mensch ist ein Übergangswesen; er ist nicht endgültig. Denn im Menschen und hoch über ihm steigen strahlende Stufen zu einer göttlichen Übermenschheit empor. Dort liegt unsere Bestimmung und der befreiende Schlüssel zu unserem sehnenden, doch verwirrten und beschränkten weltlichen Dasein.”

“Der Schritt vom Menschen zum Übermenschen ist die nächste bevorstehende Errungenschaft in der Ausfaltung der Erde. Er ist unausbleiblich, weil er sowohl die Absicht des inneren Spirits ist als auch die Folgerichtigkeit des Naturverlaufs.”

Sri Aurobindo

Quelle: www.sabda.in

Aurobindo, Sri [śrī] indischer Yogī, Dichter und Philosoph (1872-1950), Schöpfer des Integralyoga. «Aurobindo» ist abgeleitet von Sanskrit Aravinda, Lotus.

Sri Aurobindo wurde am 15. August 1872 in Kalkutta geboren, doch schickte sein europäisch orientierter Vater ihn schon im Alter von sieben Jahren nach England, wo er eine klassisch-humanistische Ausbildung erhielt. Als er mit 21 Jahren nach Indien zurückkehrte, hatte er bei seiner Ankunft in Bombay eine überwältigende Erfahrung unsagbaren Friedens.
Er vertiefte nun seine Kenntnisse der indischen Kultur und Geschichte und lernte Sanskrit, die Sprache der heiligen Schriften Indiens. Doch sein Augenmerk galt zunächst vor allem der indischen Widerstandsbewegung, zu deren geistigem Führer er bald wurde. Er wollte Freiheit und Unabhängigkeit für sein Land und schrieb zahlreiche inspirierte Artikel in mehreren Zeitschriften.

Parallel zu diesen politischen Aktivitäten entwickelte sich auch sein Interesse am Yoga. Im Jahr 1904 begann er mit Prānāyāma-Übungen und fühlte ständig eine Art elektrische Kraft um seinen Kopf, woran sich viele kleinere spirituelle Erfahrungen anschlossen.
Der große Durchbruch ereignete sich im Jahr 1907, als er den vedantischen Yogī Vishnu Bhaskar Lele traf. Dieser wies ihn an: «Setze dich hin, beobachte, und du wirst sehen, dass deine Gedanken von außen in dich eintreten. Bevor sie eintreten, wirf sie zurück.» Sri Aurobindo folgte dieser Anweisung und erreichte innerhalb von drei Tagen die Erfahrung ewiger Stille. Es war das raumlose, unbegrenzte Brahman, das Nirvāna, auf dessen Hintergrund die Welt wie ein Film erscheint, der vorüberzieht. Es war die Erfahrung der Māyā, der Unwirklichkeit der Welt, die für Sri Aurobindo nur ein Durchgang sein sollte.

Indessen verunsicherten die Aktivitäten der Freiheitskämpfer die britische Kolonialregierung, und so wurde Sri Aurobindo 1908 mit vielen anderen führenden Persönlichkeiten verhaftet. Während der einjährigen Untersuchungshaft im Gefängnis von Alipur hatte er weitere spirituelle Erfahrungen. Wenn er vor seiner Zelle auf und ab ging, spürte er, wie die Kraft des Göttlichen ihn erfüllte: «Ich schaute auf das Gefängnis… und die hohen Mauern kerkerten mich nicht mehr ein, es war Krishna, der mich umgab…».
Zu dieser Zeit erschien ihm auch in einer Vision Swami Vivekananda und erklärte ihm zwei Wochen lang höhere Bewusstseinsebenen, einen wichtigen Bereich spiritueller Erfahrung, über den er zu Lebzeiten nie gesprochen hatte.
Ein angesehener indischer Anwalt verteidigte Sri Aurobindo im Prozess und erreichte schließlich mit einem brillanten Plädoyer seinen Freispruch von der Anklage der Verschwörung gegen die britische Krone.

Im Jahr 1910 erhielt Sri Aurobindo eine innere Weisung, sich von der politischen Arbeit zu lösen und nach Puducherry (Pondicherry) zu fahren, einer französischen Kolonie südlich von Chennai (Madras) an der Ostküste Indiens. Dort widmete er sich nun intensiver innerer Arbeit und entwickelte seinen ganzheitlichen Integralyoga.
1914 kam es zu einer ersten Begegnung mit Mira Alfassa, die bereits einen langen spirituellen Weg mit vielen Erfahrungen hinter sich hatte. 1920 reiste sie endgültig nach Puducherry und blieb dort bis an ihr Lebensende als Sri Aurobindos spirituelle Mitarbeiterin «die Mutter». Unter ihrer Leitung bildete sich allmählich der Sri Aurobindo Ashram heran, indem immer mehr Wahrheitssucher aus Indien und aus dem Westen nach Puducherry kamen.
Im November 1926 hatte Sri Aurobindo eine wichtige Erfahrung, die er als «Herabkunft Krishnas ins Physische» deutete. Es war eine entscheidende Vorstufe für sein eigentliches Ziel, die Herabkunft (descent) des Supramentalen (supermind), eines weltdynamischen Wahrheitsbewusstseins, das nach seiner Schau bereits von einzelnen vedischen Rishis realisiert worden war, jedoch nur individuell und nicht kollektiv für die Menschheit als generell etablierte Bewusstseinsstufe.

Während des Ersten Weltkriegs veröffentlichte Sri Aurobindo in einer langen Artikelreihe zahlreiche Schriften, welche zu seinen Hauptwerken wurden, darunter auch Das göttliche Leben, Die Synthese des Yoga und Essays über die Gita. Später kamen die Briefe über den Yoga als wichtige Informationsquelle dazu.
In seinem Werk Das göttliche Leben entwirft Sri Aurobindo in einer grandiosen Vision das Bild einer progressiven Evolution mit ungeahnten künftigen Möglichkeiten, aber auch teils schwierigen Phasen. Die Synthese des Yoga und die Briefe zeigen den integralen Yoga-Weg auf, der es sich zum Ziel setzt, das irdische Leben nicht zurückzuweisen, es nicht nur als Durchgang zur spirituellen Befreiung zu betrachten, sondern vielmehr ganzheitlich zu akzeptieren und zu transformieren, indem es schrittweise vom Licht der Wahrheit erfüllt und zu einer freudigen Teilnahme an Schöpfung und Evolution geführt wird.

Hauptelemente aus der indischen Tradition sind die drei Wege, die in der Bhagavadgītā aufgezeigt werden: der Pfad der Werke, der Erkenntnis und der Liebe. Techniken und Erkenntnisse aus anderen Systemen und Weisheitslehren können ebenfalls mit Gewinn integriert werden, wenn dies dem persönlichen Entwicklungsgang entspricht. Dies gilt insbesondere für Japa, die Wiederholung eines Mantras, welches die Mutter in der letzten Phase ihres Lebens intensiv praktizierte und in dem betreffenden Stadium ihrer Sādhana für unverzichtbar hielt.
Ein zusätzliches Element im Integralyoga ist die schon erwähnte «Herabkunft des Supramentalen», eines globalen, gnostischen Wahrheitsbewusstseins, das alle Teilung, z.B. auch jene der Religionen, in einem grenzenlosen Einheitsempfinden aufhebt. Die Dualität und Gegenüberstellung von Geist (Spirit) und Materie soll auf dieser Ebene endgültig überwunden werden: Materie ist Geiststoff.

Der Mensch kann dieses Bewusstsein nicht durch sein Ego anstreben, sondern sich nur durch allmähliche Aufgabe oder Umpolung des Egos und die Sehnsucht der innersten Seele ihm öffnen, es hereinlassen. Voraussetzung dafür ist eine gründliche Vorbereitung des Wesens, eine geduldige Sādhana, so dass die mentale, vitale und physische Natur unter den Einfluss des Lichts kommt und allmählich transformiert wird. Hilfreich bei dieser Arbeit sind innere Haltungen wie Aufrichtigkeit, Hingabe an das Göttliche und Gleichmut.
Das Streben nach ganzheitlicher Entwicklung bleibt nicht auf den Einzelnen beschränkt. Es kann zu spirituell orientierten Gemeinschaften führen, die kollektiv auf das Ziel der Transformation hinarbeiten. Im politischen Bereich wäre das Ziel eine auf Einheit und Harmonie ausgerichtete Weltgemeinschaft, die im Wesentlichen von Kräften des Lichts regiert wird, was gewiss eine ferne Vision ist.

Als Sri Aurobindo am 5. Dezember 1950 die (physische) Erde verließ, war sein Körper 111 Stunden in ein supramentales Licht gehüllt, das jede Zersetzung verhinderte und von vielen Anhängern gesehen werden konnte. Sri Aurobindo hatte beschlossen, wegen starker Widerstände im Erdbewusstsein von der subtilphysischen Ebene weiterzuarbeiten, während die Mutter den Yoga der Transformation im Körper fortsetzen würde.
Das bedeutendste literarische Werk Sri Aurobindos ist neben dem Titel Das göttliche Leben sein spirituelles Epos Savitri, eine mantrische Dichtung in englischer Sprache, die den Sucher auf einer langen Reise durch das Universum führt, durch seine sichtbaren und unsichtbaren Welten, seine Evolutionsgeschichte, seine spirituellen Gipfel und tiefen Abgründe. Der gesamte Text – fast 24‘000 Zeilen in Blankvers – liegt auch in zwei deutschen Übertragungen vor.“

Quelle: Das Yoga Lexikon von Wilfried Huchzermeyer

Buchtipp:  Sri Aurobindo – Leben und Werk, von Wilfried Huchzermeyer

Sri Aurobindo's Symbol:

Logo von Sri Aurobindo
Foto von Mirra Alfassa
Erklärung von Mirra Alfassa (Die Mutter):

Das absteigende Dreieck repräsentiert Sat-Cit-Ānanda.

Das aufsteigende Dreieck repräsentiert die strebende Antwort der Materie in Form von Leben, Licht und Liebe.

Die Verbindung von beiden –
das Quadrat mit einem Lotos in der Mitte –
ist die vollkommene Manifestation des Avatars des Höchsten.

Das Wasser innerhalb des Quadrates repräsentiert
die Vielfalt, die Schöpfung.