Sadhana des Integralen Yoga gemäss Sri Aurobindo

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Im Integralen Yoga existieren im Gegensatz zu den traditionellen Yogasystemen keine allgemeingültigen Anleitungen für eine entsprechende Sādhanā.

Sri Aurobindo und die MUTTER haben Ihre Schüler jeweils direkt sowie individuell angeleitet. Zudem haben sie nur diejenigen Schülerinnen und Schüler zu diesem Weg zugelassen, welche den inneren Ruf dazu erhalten haben.

Einleitung

Die heutige westliche Auffassung von Yoga und was Sri Aurobindo unter dem Begriff des (Integralen) Yoga versteht, ist in seinen Zielsetzungen höchst verschieden. Während sich die moderne Yogaszene mehr um die Gesunderhaltung von Körper und die mentale Gesundheit kümmert, geht es im Integralen Yoga darum, sich vollständig dem Göttlichen zu weihen und alle Bereiche des Lebens zu vergöttlichen.

Wilfried Huchzermeyer schreibt im Yoga Lexikon:

„In der westlichen Öffentlichkeit wird der Begriff Yoga meist mit den Körperübungen des Hatha-Yoga in Verbindung gebracht, da diese Übungen große Popularität erlangten und zum Teil auch, insbesondere in den USA, von prominenten Schauspielern, Musikerinnen oder auch Politikern praktiziert werden. In diesem Kontext ist der Yoga häufig eher der Rubrik Fitness und Wellness zuzuordnen oder auch den Bereichen von Therapie, Rückenschulung und Mentaltraining, in denen er ebenfalls viel Anerkennung und Verbreitung gefunden hat.“

Es gibt heutzutage immer noch viele traditionelle Yogasysteme mit einem spirituellen Hintergrund, welche die Gottesverwirklichung zum Ziel haben, doch unterscheiden sich auch diese Systeme vom Integralen Yoga (siehe auch Das Ziel des Integralen Yoga).

Da der Integrale Yoga ein sehr schwieriger Weg ist, eignen sich nicht alle Menschen für diesen Pfad. Gemäss Sri Aurobindo muss ein klarer innerer Ruf der Seele (seelisches Wesen, siehe auch Das zentrale Wesen) erfolgen, um diesen Weg erfolgreich gehen zu können.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Alle können, sofern sie den Willen haben, eine Art Yoga ausüben, so wie es ihrer Natur entspricht. Es gibt jedoch nur wenige, von denen man sagen kann, sie hätten eine Befähigung für diesen [Integralen] Yoga. Einige können die Fähigkeit entwickeln, andere hingegen können es nicht.“

Der Integrale Yoga kennt zudem im Gegensatz zu den meisten Yogasystemen keine festgelegten Übungen und Methoden in seiner Sādhanā.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„… Die Sadhana dieses Yoga geht nicht durch eine festgelegte mentale Lehre vonstatten oder durch vorgeschriebene Formen der Meditation, durch mantra oder andere Dinge, sondern durch Streben, durch nach innen oder oben gerichtete Konzentration, durch das Sich-Öffnen für einen Einfluss, für die Göttliche Macht über uns und ihr Wirken, für die Göttliche Gegenwart im Herzen und durch die Zurückweisung all dessen, was diesen Dingen fremd ist. Und allein durch Glauben, Streben und Hingabe kann dieses Sich-Öffnen erfolgen.“

Sri Aurobindo in Die Synthese des Yoga:

„Es gibt drei wichtige Züge des Handelns, wenn die höhere Natur integral auf die niedere einwirkt. Zunächst handelt sie nicht nach einem festgelegten System und in einer bestimmten Reihenfolge, wie das bei den spezialisierten Yoga-Methoden der Fall ist.
Vielmehr wirkt sie frei, einmal hier und einmal dort, und doch stufenweise immer intensiver und zielvoller, so wie es durch das Temperament des einzelnen Menschen, in dem sie wirkt, bestimmt wird. Sie gebraucht die Läuterung und Vervollkommnung der verwendbaren Materialien, die seine Natur darbietet, und ebenso die Widerstände, mit denen sie opponiert. In gewissem Sinne hat darum im Integralen Yoga jeder Mensch seine eigene Yoga-Methode.
Doch gibt es gewisse allgemeine Grundzüge des Wirkens, die für alle gelten und es uns möglich machen, zwar gewiss kein Routinesystem, wohl aber ein gewisses shastra, eine wissenschaftliche Methode des synthetischen Yoga zu konstruieren. ….”

Begriffsdefinition

Sādhanā ist von der Sanskritwurzel sādh abgeleitet, was «geradewegs auf ein Ziel gerichtet, erfolgreich sein» bedeutet. Sādhanā bezeichnet eine Disziplin, welche unternommen wird, um ein bestimmtes geistiges Ziel zu erreichen.

Eine Person, welche Sādhanā praktiziert wird

  • Sādhaka (männliche Form) oder 
  • Sādhikā (weibliche Form)

genannt.

Auszug aus dem Yoga Lexikon von Wilfried Huchzermeyer:

Sādhana n, Sādhanā f, spirituelle Praxis, Übung, Methode. Nach der Lehre der meisten Yoga-Meister ist eine bewusst befolgte Übungspraxis notwendig, um das Ziel der Gottesverwirklichung zu erreichen. Übungen wie Āsana, Prānāyāma, Dhyāna, Japa oder die regelmäßige Lektüre inspirierter Schriften werden zur Sādhanā, wenn sie beständig und mit spiritueller Zielsetzung durchgeführt werden.”

Das Ziel des Integralen Yoga

Das Ziel des Integralen Yoga ist nicht nur ein Aufstieg in göttliche Bereiche, wie bei den herkömmlichen Yoga-Systemen, sondern auch eine Herabkunft des Göttlichen in die niederen Bereiche (Mental, Vital und Physis).

Eine genauere Beschreibung zu diesem Thema siehe auch meine Blogbeiträge: Methoden und Ziel des Integralen Yoga und Unterschiede zwischen den traditionellen Yoga-Arten und dem Integralen Yoga.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

Der Weg des Yoga, dem man hier folgt, unterscheidet sich von anderen Yogawegen in seinen Zielen; sein Ziel ist nicht, sich aus dem gewöhnlichen unwissenden Weltbewusstsein in das göttliche Bewusstsein zu erheben, sondern die supramentale Macht jenes göttlichen Bewusstseins in die Unwissenheit von Mental, Leben und Körper herabzubringen, sie umzuwandeln, das Göttliche hier zu manifestieren und ein göttliches Leben in der Materie zu schaffen. Dies ist ein übermäßig schwieriges Ziel und ein übermäßig schwieriger Yoga; vielen oder den meisten wird er unmöglich erscheinen. Alle eingewurzelten Kräfte des gewöhnlichen, unwissenden Weltbewusstseins widersetzen sich ihm, verneinen ihn und versuchen, ihn zu verhindern, und der Sadhak selbst wird sein eigenes Mental, sein Leben und seinen Körper voll der hartnäckigsten Hemmnisse gegen die Verwirklichung dieses Yoga finden. Wenn du das Ideal mit ganzem Herzen annehmen, allen Schwierigkeiten begegnen, die Vergangenheit mit ihren Bindungen hinter dir lassen kannst, wenn du bereit bist, alles aufzugeben und alles für diese göttliche Möglichkeit einzusetzen, allein dann kannst du hoffen, die Wahrheit dahinter durch die Erfahrung zu entdecken. …“

„Das Ziel des Yoga ist, in die Göttliche Gegenwart, in das Göttliche Bewusstsein einzutreten und davon erfüllt zu sein, das Göttliche allein um des Göttlichen willen zu lieben, in unserer Natur auf die Natur des Göttlichen abgestimmt und in unserem Willen, unseren Werken und unserem Leben das Instrument des Göttlichen zu sein. Es ist nicht das Ziel des Yoga, ein großer Yogi oder ein Übermensch zu werden (obwohl dies möglich ist) oder sich an das Göttliche um des Egos, des Stolzes oder des Vergnügens willen zu klammern. Nicht mokṣa [ist das Ziel des Yoga], obwohl durch sie die Befreiung und alles Übrige kommen kann – all dies darf nicht unser Ziel sein. Das Göttliche allein ist unser Ziel.

„Das Ziel der Sadhana ist das Sich-Öffnen des Bewusstseins gegenüber dem Göttlichen und die Wandlung der Natur. ..“

Die Grundvoraussetzungen des Pfades

Wie bereits oben beschrieben, versuchen die ‚alten‘ Yogasysteme das Bewusstsein in höhere, göttliche Sphären emporzuziehen und dabei die niedere Natur unangetastet zu lassen. Der Integrale Yoga gemäss Sri Aurobindo hat auch ein Herabbringen des Göttlichen in die niederen Ebenen zum Ziel, damit diese Ebenen umgewandelt werden können. Dies nennt Sri Aurobindo die supramentale Transformation.

Da die Erreichung dieses Ziels wesentlich schwieriger ist, als bei den herkömmlichen Yogasystemen, erwähnt Sri Aurobindo gewisse Voraussetzungen, um die Sādhanā des Integralen Yoga erfolgreich ausüben zu können.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Das Ziel des Yoga ist immer schwer zu erreichen, doch dieser Yoga ist schwieriger als irgendein anderer und nur für jene geeignet, die den Ruf für ihn haben, die die Fähigkeit und den Willen besitzen, allem zu begegnen, jeder Gefahr, selbst der des Fehlschlags, und die den Willen haben vorwärtszuschreiten einer völligen Selbstlosigkeit, Wunschlosigkeit und Hingabe entgegen.“

Nachstehend werden folgende, von Sri Aurobindo erwähnten, Grundvoraussetzungen für den Integralen Yoga detailliert beschrieben:

  • Seelischer Ruf und inneres Bereitsein
  • Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit (sincerity)
  • Streben (aspiration)
  • Glaube (faith)
  • Hingabe (surrender)
  • Beharrlichkeit und Ausdauer (persistence and perseverance).

Seelischer Ruf und inneres Bereitsein

Das im Innern verborgene seelische Wesen ist stets bestrebt, das Göttliche zu suchen und zu verwirklichen. Doch muss dieser Ruf des seelischen Wesens zuerst durch die schier undurchlässigen Schichten des Oberflächenbewusstseins, bestehend aus Physis, Vital und Mental, hindurchdringen.
Das lateinische Wort personare bedeutet hindurchtönen. Wir müssen zu einer wahren Person werden, bei der die Seele ohne Behinderung hindurchtönen kann. Erst wenn dieser Ton oder Ruf der Seele wahrnehmbar wird, ist eine erfolgreiche Sādhanā des Integralen Yoga möglich. Es gibt aber viele andere Yoga-Arten, welche daraufhin vorbereiten können.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Dieser Yoga bezieht nicht nur die Verwirklichung Gottes mit ein, sondern auch eine völlige Weihung und Wandlung des inneren und äußeren Lebens, bis es bereit ist, ein göttliches Bewusstsein zu manifestieren und Teil einer göttlichen Arbeit zu werden. Dies bedeutet eine innere, viel anspruchsvollere und schwierigere Disziplin als es die rein ethischen und physischen Enthaltsamkeit sind. Man darf diesen Pfad, der ungleich weitreichender und mühsamer als die meisten Yogawege ist, nicht betreten, wenn man sich seines seelischen Rufes und seiner Bereitschaft, bis zum Ende durchzuhalten, nicht gewiss ist.

„Mit Bereitschaft meine ich nicht eine Befähigung, sondern das Bereitsein. Wenn der innere Wille vorhanden ist, allen Schwierigkeiten zu begegnen und sie auf sich zu nehmen, ohne Rücksicht darauf, wie lange es dauern wird, dann kann man sich auf den Weg machen.“

„Ein bloß rastloses Unbefriedigtsein mit dem gewöhnlichen Leben ist keine genügende Vorbereitung für diesen Yoga. Ein eindeutiger innerer Ruf, ein starker Wille und große Stetigkeit sind für den Erfolg im spirituellen Leben vonnöten.“

„Der Drang, in das Göttliche einzutauchen, ist sehr selten. Gewöhnlich gibt den Anstoß eine mentale Idee, ein vitaler Impuls oder sonst irgendein unzulänglicher Grund – oder auch gar kein Grund. Die einzige Wirklichkeit ist das geheime seelische Drängen, welches vom Oberflächenbewusstsein gar nicht oder selten bemerkt wird.“

Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit (sincerity)

Solange man im Oberflächenbewusstsein von Physis, Vital und Mental lebt, unterliegt man der Täuschung. Das göttliche Wahrheitsbewusstsein kann sich so im Menschen nicht entfalten. Immer wiederkehrende Ent-Täuschungen sind willkommen, damit das Selbsterkennen mehr und mehr möglich wird.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Die eine unerlässliche Bedingung ist Wahrhaftigkeit.“

„Wahrhaftigkeit im Vital ist am schwierigsten zu erreichen und wird am dringendsten benötigt.“

„Das Ziel dieses Yoga ist, sich einer höheren Göttlichen Wahrheit jenseits von Leben, Mental und Körper zu öffnen und diese drei in ihr Ebenbild zu verwandeln. Diese Umwandlung kann jedoch erst dann stattfinden und die Wahrheit selbst in dem ihr eigenen unverkennbaren Geist, in ihrem vollkommenen Licht und ihrer wahren Substanz erkannt werden, wenn der gesamte ādhāra *) grundlegend und geduldig geläutert wurde, plastisch geworden ist und fähig, das zu empfangen, was sich jenseits der Deutungen des Mentals befindet, jenseits der Begierden des vitalen Wesens und der Gewohnheiten des physischen Bewusstseins und des physischen Wesens.“
*) Gefährt, Gefäß, Stütze; das, worin das Bewusstsein jetzt enthalten ist

„… Die eine Voraussetzung, sich von diesen Dingen zu befreien, ist eine vollständige, zentrale Wahrhaftigkeit in allen Teilen des Wesens, und das bedeutet ein absolutes Beharren auf der Wahrheit, auf nichts als der Wahrheit. Damit wird auch die Bereitschaft für schonungslose Selbstkritik und für ein wachsames Offensein gegenüber dem Licht entstehen und Unbehagen, sobald die Falschheit auftaucht – all dies wird schließlich das gesamte Wesen läutern. …“

„… Daher betonen wir so sehr die Wahrhaftigkeit im Yoga, und das bedeutet, das ganze Wesen bewusst der einen Wahrheit, dem einen Göttlichen zuzuwenden. Für die menschliche Natur aber ist dies eine der schwierigsten Aufgaben, viel schwieriger als strenger Asketizismus oder glühende Frömmigkeit. Auch die Religion vermag diese vollkommen harmonische Wahrhaftigkeit nicht zu geben – allein das seelische Wesen und ein einsinniges spirituelles Streben sind hierzu fähig.“

Streben (aspiration)

Streben bedeutet ein ununterbrochenes inneres Rufen nach dem Göttlichen, ein sich ständiges Öffnen gegenüber den göttlichen Kräften. Es ist eine Haltung einer inneren Empfangsbereitschaft, dies ohne Ehrgeiz, Begehren oder Kampf.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

Streben ist der Ruf nach dem Göttlichen – Wille ist der Druck einer bewussten Kraft auf die Natur.“

„Streben bedeutet, die Kräfte zu rufen. Sobald dann die Kräfte darauf reagieren, sollte ein natürlicher Zustand von ruhiger, gesammelter, doch spontaner Empfangsbereitschaft vorhanden sein.“

„Es hängt von dem Stadium ab, das man erreicht hat. Persönliches Streben ist notwendig, bis der Zustand eingetreten ist, in dem alles automatisch geschieht und nur ein gewisses Wissen, eine gewisse Zustimmung für die Entwicklung notwendig sind. Das Herabziehen [der Kraft] geschieht meist in dem Wunsch, Dinge für sich zu erhalten; im Streben ist ein Sich-Geben enthalten, damit das höhere Bewusstsein herabkomme und von einem Besitz ergreife; je intensiver der Ruf, umso größer ist das Sich-Geben.“

„Wenn Begehren nach etwas Gutem vorhanden ist, wird sich auch das Begehren nach etwas Schlechtem einstellen. Der Wille und das Streben haben ihren Platz, nicht aber das Begehren. Sobald ein Begehren auftritt, entstehen Verhaftetsein, Forderung, heftiges Verlangen, Mangel an Gleichmut, die Sorge, etwas nicht zu erhalten – all dies ist unyogisch.“

„Man sollte zufrieden sein mit dem, was man erhält, und dennoch ruhig und ohne Kampf weiterstreben, bis alles erreicht ist. Kein Begehren, kein Kampf – Streben, Glaube, Offenheit und die Gnade.“

„Das ist das seelische Streben, das seelische Feuer. Sobald sich das Vital einmischt, kommt Ungeduld nach dem Ergebnis auf und Unzufriedenheit, sofern dieses sich nicht sofort einstellt. Das muss aufhören.
So ist die Natur des ungeläuterten, vitalen Teils der Oberfläche. Das wahre Vital ist anders, ruhig und stark und ein machtvolles, dem Göttlichen ergebenes Instrument. Damit dieses aber hervortreten kann, muss man zuerst eine sichere Gelassenheit im Mental erlangen; wenn das Bewusstsein dort gefestigt und das Mental ruhig, weit und frei ist, kann auch das wahre Vital hervortreten.“

„Natürlich, je ausgerichteter das Streben ist, umso rascher ist der Fortschritt. Die Schwierigkeit entsteht, wenn sich entweder das Vital mit seinen Begierden oder das Physische mit seinen alten, gewohnheitsmäßigen Regungen einmischt – wie es beinahe jedem geschieht. Hierdurch entstehen dann Dürre und Widerstand in einem spontanen Streben. Diese Dürre ist ein wohlbekanntes Hindernis in jeder Sadhana. Doch man muss ausharren und darf sich nicht entmutigen lassen. Wenn man seinen Willen in diesen unfruchtbaren Zeitspannen aufrechterhält, werden sie vorübergehen, und nachher wird eine größere Kraft des Strebens und der Erfahrung möglich werden.“

Glaube (faith)

Eine wichtige Stütze für eine erfolgreiche Sādhanā ist der Glaube an das Göttliche und das Vertrauen in die göttliche Führung. Dies wird in der Sanskrit-Sprache Śraddhā genannt.

Bhagavadgītā, 4,39: śraddhāvān labhate jñānaṁ
„Wer Glauben hat, der erlangt Erkenntnis.”

Auszug aus dem Yoga Lexikon von Wilfried Huchzermeyer:

Shraddhā [śraddhā] f, Glaube, Vertrauen; insbesondere der Glaube an das Göttliche, an die heiligen Schriften, in denen es offenbart ist, oder an den spirituellen Meister, der als sein Mittler wirkt. In Yogasūtra 1.20 wird Shraddhā als eine von fünf Qualitäten genannt, die helfen, die höchste spirituelle Verwirklichung zu erlangen. In der Bhagavadgītā 4.39 heißt es: «Wer Glauben (Shraddhā) hat, erlangt Wissen (spirituelle Erkenntnis, Jñāna).»”

Glaube beruht auf einer Ahnung eines Wissens und der Wahrheit, die aus der Tiefe des seelischen Wesens in uns erwächst, zu denen unser Oberflächenbewusstsein noch keinen Zugang hat. Der Glaube kann mit der Morgendämmerung verglichen werden, welche das Aufsteigen der Sonne ankündigt.

Nachstehend einige Worte von Sri Aurobindo:

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

Glaube ist etwas, das dem Wissen vorangeht und nicht etwas, das ihm folgt. Es ist das Erspähen einer Wahrheit, die das Mental noch nicht als Wissen erkannt hat.
Nicht durch den Verstand kann man im Yoga vorankommen, sondern durch die seelische und spirituelle Empfangsbereitschaft; was das Wissen und das wahre Verstehen anbelangt, so wachsen diese in der Sadhana durch das Anwachsen der Intuition und nicht des physischen Intellektes.“

Glaube beruht nicht auf Erfahrung, er ist vor der Erfahrung vorhanden. Wenn man den Yoga aufnimmt, geschieht dies meist nicht durch die Kraft der Erfahrung, sondern durch die Kraft des Glaubens. Dies ist nicht nur im Yoga und spirituellen Leben der Fall, sondern auch im gewöhnlichen Leben. Alle Menschen der Tat, Entdecker, Erfinder, Wissenschaftler, schreiten durch den Glauben voran, bis der Beweis erbracht oder die Sache getan ist, und sie halten sich daran trotz Enttäuschung, Fehlschlag, Gegenbeweis und Verneinung; denn etwas Innerliches sagt ihnen, dass dies die Wahrheit ist und dass man die Sache aufnehmen und durchführen muss. …
Glaube ist der Zeuge der Seele für etwas, das sich noch nicht offenbart hat, das noch nicht erreicht oder verwirklicht wurde, das aber dennoch der Wissende in uns als das Wahre empfindet, als zuhöchst wert, dass man ihm folgt oder es erreicht, auch wenn keine anderen Anzeichen vorhanden sind. Dieses Etwas in uns kann andauern, selbst wenn das Mental keinen gefestigten Glauben hat, selbst wenn das Vital dagegen kämpft und aufbegehrt und sich weigert. Wo gibt es den, der den Yoga ausübt und der nicht durch diese Zeiten hindurch muss – durch lange Zeitspannen der Enttäuschung, des Fehlschlags, des Unglaubens und der Finsternis? Doch etwas erhält ihn aufrecht und macht weiter – ihm selbst zum Trotz –, da es fühlt und mehr noch, da es weiß, dass es auf jeden Fall das Wahre ist, dem es folgt. Der grundlegende, der Seele innewohnende Glaube ist, dass es das Göttliche gibt und dass es das einzige ist, dem man zu folgen hat und nichts anderes im Leben einem Vergleich damit standhält. Solange ein Mensch diesen Glauben besitzt, ist er für das spirituelle Leben bestimmt, und selbst wenn seine Natur voller Widerstände, voller Ablehnung und Schwierigkeiten ist, und selbst wenn er viele Jahre zu kämpfen hat, ist er dennoch für den Erfolg im spirituellen Leben ausersehen. …“

„Der Ausdruck (blinder Glaube) hat keine wirkliche Bedeutung. Ich vermute, es ist gemeint, dass man ohne Beweis nicht glauben kann; doch die Schlussfolgerung, die sich aufgrund des Beweises formt, ist kein Glaube, sie ist Wissen oder eine mentale Meinung. Glaube ist etwas, das man vor dem Beweis oder Wissen hat und dir zum Wissen oder zu der Erfahrung verhilft. Es gibt keinen Beweis dafür, dass es Gott gibt, doch wenn ich an Gott glaube, kann ich zur Erfahrung des Göttlichen gelangen.“

Mentaler Glaube überwindet den Zweifel und verhilft dir dazu, dich dem wahren Wissen zu öffnen; vitaler Glaube verhindert die Angriffe feindlicher Kräfte oder schlägt sie zurück und verhilft dazu, sich dem wahren spirituellen Willen, der wahren spirituellen Tat zu öffnen; physischer Glaube macht in aller physischen Finsternis, Trägheit oder im Leiden stark und verhilft dazu, sich der Grundlage des wahren Bewusstseins zu öffnen; seelischer Glaube öffnet dich der direkten Fühlung mit dem Göttlichen und verhilft zu Einung und Hingabe.“

„Nicht die Hingabe an das seelische Wesen wird gefordert, sondern die Hingabe an das Göttliche. Man nähert sich dem Göttlichen durch Glauben; eine konkrete Erfahrung findet als Ergebnis der Sadhana statt. Man kann keine unmittelbare Erfahrung erwarten, ohne das Bewusstsein entsprechend vorzubereiten. Wenn man den Ruf fühlt, folgt man ihm; wenn kein Ruf erfolgt, besteht keine Notwendigkeit, das Göttliche zu suchen. Der Glaube genügt für den Anfang; die Vorstellung, man müsse zuerst verstehen und verwirklichen, bevor man sich auf die Suche begeben kann, ist ein mentaler Irrtum; wenn dies stimmen würde, wäre die ganze Sadhana unmöglich. Eine Verwirklichung kann nur als Ergebnis der Sadhana stattfinden und nicht ihre Voraussetzung sein.“

„… Was ich mit einem zentralen Glauben meine, ist ein Glaube in der Seele oder dem zentralen Wesen im Hintergrund, ein Glaube, der vorhanden ist, selbst wenn das Mental schwankt und das Vital verzweifelt und das Physische zusammenbrechen will, und der, nachdem die Anfechtung vorüber ist, wieder hervortritt und dich zurück auf den Pfad drängt. Er kann stark und licht sein, er kann in seiner Erscheinungsform fahl und schwach sein, doch wenn er dich jedes Mal zum Weitergehen veranlasst, ist er das Wahre. Anfälle von Verzagtheit, Finsternis und Verzweiflung sind eine Tradition auf dem Pfad der Sadhana – in allen Yogasystemen, den östlichen und den abendländischen, scheinen sie die Regel zu sein. …“

„Bis wir die Wahrheit erkennen (nicht mental, sondern durch Erfahrung, durch eine Wandlung des Bewusstseins), brauchen wir den Glauben der Seele, damit er uns stütze, damit wir uns an die Wahrheit halten können – doch wenn wir einmal im Wissen leben, wird dieser Glaube in Wissen gewandelt.
Ich meine natürlich das unmittelbare spirituelle Wissen. Mentales Wissen kann den Glauben nicht ersetzen; solange nur mentales Wissen vorhanden ist, wird der Glaube noch gebraucht.“

„… Wir müssen den Glauben haben, dass trotz unserer Unwissenheit, unserer Irrtümer und Schwächen, trotz der Angriffe feindlicher Mächte und trotz allem sofortigen Zutagetreten des Versagens der Göttliche Wille uns durch alle Widrigkeiten hindurch der endgültigen Verwirklichung entgegenführt. Dieser Glaube wird uns Gleichmut geben; es ist ein Glaube, der das, was geschieht, hinnimmt, und zwar nicht als etwas Endgültiges, sondern als etwas, das man auf dem Weg auf sich zu nehmen hat. …“

„Der Glaube, der Verlass auf Gott, die Hingabe und das Selbst-Geben an die Göttliche Macht sind notwendig und unerlässlich. Sich auf Gott zu verlassen, darf aber nicht zu einem Vorwand für Faulheit, Schwäche und die Hingabe an die Impulse der niederen Natur gemacht werden; es muss Hand in Hand mit unermüdlichem Streben gehen und mit einer beharrlichen Zurückweisung von allem, was der Göttlichen Wahrheit im Wege steht. Die Hingabe an das Göttliche darf nicht zu einer Ausflucht, einem Deckmantel oder einer Gelegenheit werden, seinen eigenen Begierden und niederen Bewegungen zu frönen, oder sich seinem Ego oder einer Kraft der Unwissenheit und Dunkelheit hinzugeben, die sich fälschlich als das Göttliche darstellt.“

Hingabe (surrender)

Einer der grössten Widersacher bei der göttlichen Verwirklichung ist das Ego. Hingabe (Bhakti) hilft, das Ego zu kontrollieren und sich dem Göttlichen zu öffnen, oder wie Mirra Alfassa (die Mutter) es sagt:
„Hingabe kann man als das Aufgeben der Ich-Begrenzung bezeichnen.“

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Hingabe heißt, sich dem Göttlichen zu geben – alles was man ist oder hat dem Göttlichen zu geben, nichts als sein eigen zu betrachten, nur dem Göttlichen Willen zu gehorchen und nichts anderem, für das Göttliche zu leben und nicht für das Ego.“

„Hingabe bedeutet, gänzlich in den Händen der [Göttlichen] Mutter zu sein und in keiner Weise ihrem Licht und Wissen, ihrem Willen und dem Wirken ihrer Kraft durch Egoismus oder sonst wie Widerstand zu leisten.“

„… Das Ego ist es, das alle Unterwerfung als Erniedrigung und Minderung betrachtet, in Wirklichkeit aber wird durch die Unterwerfung an das Göttliche das Wesen gemehrt und geweitet – das sollte ausgedrückt werden.“

„Wenn keine Hingabe vorhanden ist, kann keine Umwandlung des gesamten Wesens stattfinden.“

„… Der Kern der inneren Hingabe ist Vertrauen in das Göttliche und Zuversicht. Die Haltung sollte die folgende sein: «Ich will das Göttliche und nichts anderes. Ich will mich ihm gänzlich geben, und da meine Seele dies will, kann es nicht anders sein, als dass ich ihm begegnen und es verwirklichen werde. Ich will nur dies und dass sein Wirken mich zu ihm bringt, sein geheimes oder sichtbares Wirken, sein verhülltes oder offenbares Wirken. Ich bestehe nicht auf meiner Zeit und meinem Weg; es [das Göttliche] soll alles zu seiner Zeit und auf seine Weise tun. Ich werde an es glauben, ich werde seinen Willen annehmen und immerfort nach seinem Licht, nach seiner Gegenwart und Freude streben, ich werde durch alle Schwierigkeiten und Verzögerungen gehen, mich auf es verlassen und niemals aufgeben. Möge mein Mental ruhig werden und ihm vertrauen, möge es seinem Lichte geöffnet werden; möge mein Vital ruhig werden und allein ihm zugewandt sein, möge es seiner Ruhe und Freude geöffnet sein. Alles für das Göttliche, und auch mich selbst für das Göttliche. Was immer auch sein wird, ich werde dieses Streben und Selbstgeben bewahren und weitergehen und mich vollkommen darauf verlassen, dass es geschieht.»
Das ist die Haltung, in die man hineinwachsen muss; auf einmal kann sie in ihrer Vollständigkeit bestimmt nicht erreicht werden – mentale und vitale Bewegungen kommen dazwischen –, doch wenn man den Willen bewahrt, wird sie im Wesen gedeihen. Das übrige ist eine Frage des Gehorsams gegenüber der Führung, sobald sie sich offenbart und den vitalen und mentalen Bewegungen nicht erlaubt, sich einzumischen.“

„Eine aktive Hingabe ist, wenn du deinen Willen mit dem Göttlichen Willen verbindest, wenn du das zurückweist, was nicht das Göttliche ist, und dem zustimmst, was das Göttliche ist. Passive Hingabe ist, wenn alles ganz und gar dem Göttlichen überlassen wird; hierzu sind nur wenige fähig, und in der Praxis erweist es sich, dass man unter dem Vorwand der Hingabe an das Göttliche sich in Wirklichkeit der niederen Natur hingibt.“

„Eine vollkommene Hingabe ist in so kurzer Zeit nicht möglich – denn eine vollkommene Hingabe bedeutet, den Knoten des Egos in jedem Teil des Wesens zu durchschneiden und es frei und ganz dem Göttlichen darzubieten. Das Mental, das Vital und das physische Bewusstsein (und sogar jeder einzelne Teil davon in all seinen Bewegungen) müssen sich getrennt, eines nach dem anderen hingeben, ihren eigenen Weg aufgeben und den Weg des Göttlichen annehmen. …“

„Die meisten Sadhaks haben ähnliche Gedanken oder hatten sie zu der einen oder anderen Zeit. Sie erheben sich aus dem vitalen Ego, das entweder das Göttliche nicht will, oder nur für seine eigenen Ziele und nicht für die Ziele des Göttlichen. Es wird wütend, wenn es zur Wandlung gedrängt wird oder seine Wünsche nicht befriedigt werden – das ist die Wurzel all dieser Dinge. Daher bestehen wir in diesem Yoga auf der Hingabe, denn allein durch die Hingabe (besonders des vitalen Egos) können solche Dinge geschehen; und das bedeutet, das Göttliche um des Göttlichen willen anzunehmen, aus keinem anderen Beweggrund, und auf die Göttliche und nicht die eigene Weise oder unter den eigenen Bedingungen.“

Beharrlichkeit und Ausdauer (persistence and perseverance)

Veränderungen auf dem spirituellen Weg ziehen automatisch Widerstände auf sich, welche sich in den Weg stellen. Es gibt Teile im menschlichen Wesen, welche sich nicht erneuern lassen möchten. Vor allem physische Gewohnheiten und vitale Impulse leisten sehr lange Widerstand bei der Umwandlung. Durch Geduld, Mut, Entschlossenheit und Ausdauer lassen sich diese Widerstände mit der Zeit überwinden, um schlussendlich das anvisierte Ziel zu erreichen.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Entschlossenheit und beharrliche Geduld werden benötigt, damit man sich nicht durch diesen oder jenen Fehlschlag entmutigen lässt. Es ist eine Wandlung in der Gewohnheit der physischen Natur, und das bedarf einer langen geduldigen Arbeit im Detail.“

„Welche Methode man auch immer anwendet, Beharrlichkeit und Ausdauer sind wesentlich. Denn die Vielfalt des natürlichen Widerstandes wird sich gegen jede Methode zur Wehr setzen.“

„Ungeduld ist immer ein Fehler, sie hilft nicht, sondern hemmt. Ein ruhiger, glücklicher Glaube, ein ebensolches Vertrauen sind die beste Grundlage der Sadhana; das übrige besteht in einem steten, weiten Sich-Öffnen, damit man im vollen Streben empfängt, ein Streben, das intensiv sein kann, doch immer ruhig und beständig sein muss. Die volle yogische Verwirklichung kommt nicht sofort, sie kommt nach einer umfangreichen Vorbereitung des ādhāra, die lange Zeit in Anspruch nehmen kann.“

„Es kann keinen Zweifel über die Göttliche Gnade geben. Es ist auch vollkommen richtig, dass ein Mensch das Göttliche erreichen wird, sofern er aufrichtig ist. Doch daraus folgt nicht, dass er es sogleich und mühelos und ohne Aufschub erreicht. Dein Irrtum besteht darin, Gott auf einen Zeitpunkt festlegen zu wollen – fünf Jahre, sechs Jahre – und dann zu zweifeln, weil sich noch kein Ergebnis eingestellt hat. Ein Mensch kann innerlich aufrichtig sein, und dennoch mag es viele Dinge in ihm geben, die verändert werden müssen, bevor eine Verwirklichung eintreten kann. Seine Wahrhaftigkeit muss ihn befähigen, immer durchzuhalten – denn diese Sehnsucht nach dem Göttlichen kann durch nichts erstickt werden, weder durch Aufschub noch Enttäuschung und Schwierigkeiten oder irgendetwas anderes.“

„Es ist eine schwierige Sadhana und man sollte über die Länge der Zeit nicht murren; erst in den letzten Stadien kann man mit Sicherheit eine sehr große und stetige Geschwindigkeit des Fortschritts erwarten. …“

„… Den Schwierigkeiten muss man entgegentreten, und je freudiger dies geschieht, umso schneller werden sie überwunden sein. Das eine, das es zu tun gilt, ist, das mantra des Erfolges aufrechtzuerhalten, die Entschlossenheit zum Sieg, den festen Vorsatz: «Ich muss es haben und ich werde es haben».
Unmöglich? Es gibt nichts Derartiges wie Unmöglichkeit; es gibt Schwierigkeiten und Dinge der longue haleine [welche länger dauern] – die eines tiefen Atemholens bedürfen –, doch nichts Unmögliches. Was man zu tun fest entschlossen ist, wird früher oder später getan werden – es wird möglich sein. Vertreibe die dunkle Verzweiflung und setze tapfer deinen Yoga fort. In dem Maße wie die Finsternis schwindet, werden die inneren Türen sich öffnen.“

„In den frühen Stadien gibt es immer Schwierigkeiten und nur stockenden Fortschritt, und, bis das Wesen bereit ist, öffnen die inneren Türen sich nur zögernd. Wenn du, sobald du meditierst, die Ruhe und das Aufflammen des inneren Lichtes fühlst, wenn das innere Drängen so stark wächst, dass die äußere Macht sich vermindert und die vitalen Störungen ihre Kraft verlieren, so ist dies bereits ein großer Fortschritt. Der Weg des Yoga ist lang, jeder Zentimeter Boden muss gegen viel Widerstand gewonnen werden, und vom Sadhak wird keine Eigenschaft mehr gefordert als Geduld, ein einsinniges Ausharren und ein Glaube, der in allen Schwierigkeiten, in allen Verzögerungen und scheinbaren Fehlschlägen fest bleibt.“

„Einer, der nicht den Mut besitzt, geduldig und standhaft dem Leben und seinen Schwierigkeiten zu begegnen, wird niemals fähig sein, die noch größeren inneren Schwierigkeiten der Sadhana durchzustehen. Die erste Aufgabe in diesem Yoga ist, dem Leben und seinen Prüfungen mit einem ruhigen Mental, mit festem Mut und völligem Vertrauen auf die Göttliche śakti zu begegnen.“

Die Grundlage der Sādhanā

Die Umwandlungsprozesse im Integralen Yoga (seelische, spirituelle und supramentale Transformation) können auf der menschlichen Ebene nicht selbst vollzogen werden. Es ist nur das Göttliche, welches diese Umwandlungen dann durchführt, wenn der Sādhaka, die Sādhikā dazu bereit ist.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Die Göttliche Gnade und Macht vermögen alles zu tun, doch nur mit der vollen Zustimmung des Sadhaks. Diese volle Zustimmung erteilen zu lernen, ist der ganze Sinn der Sadhana. Auf Grund der Ideen im Mental, der Begierden im Vital oder der Trägheit im physischen Bewusstsein kann es lange Zeit in Anspruch nehmen, doch müssen diese Dinge sein und können durch die Hilfe oder das Herbeirufen der Göttlichen Kraft beseitigt werden.“

„Niemand taugt zur Sadhana – das heiß, niemand vermag sie nur mit Hilfe seiner eigenen Befähigung auszuüben. Es ist eine Frage der Vorbereitung, die Kraft eintreten zu lassen – die nicht die eigene ist – und durch diese kann es dann mit der Zustimmung des Sadhaks und durch sein Streben geschehen.“

Damit in der Sādhanā des Integralen Yoga die göttliche Kraft wirken kann, ist das Vorhandensein folgender Tugenden von Vorteil:

  • Ein ruhiges Mental
  • Ruhe, Stille, Friede, Schweigen
  • Gleichmut (samatā)

Nachstehend einige Auszüge aus den Briefen von Sri Aurobindo an seine Schüler zu diesen Themen:

Das ruhige Mental

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Es ist nicht möglich, eine Grundlage für den Yoga zu schaffen, solange das Mental rastlos ist. Das wichtigste Erfordernis ist Ruhe im Mental. Es ist auch nicht das vordringlichste Ziel im Yoga, das persönliche Bewusstsein aufzuheben; das vordringlichste Ziel ist vielmehr, sich einem höheren spirituellen Bewusstsein zu öffnen, und auch hierfür ist ein ruhiges Mental das wichtigste Erfordernis.“

„Das erste in der Sadhana ist, einen beständigen Frieden, eine beständige Stille im Mental zu erlangen. Andernfalls ist es zwar durchaus möglich, Erfahrungen zu haben, doch wird nichts von Dauer sein. Das stille Mental ist es, in dem man das wahre Bewusstsein errichten kann.
Ein stilles Mental bedeutet nicht, dass gar keine Gedanken oder mentalen Regungen vorhanden sind, sondern dass sich diese an der Oberfläche befinden und du dein wahres Wesen im Inneren als von ihnen getrennt empfindest; es beobachtet zwar, wird aber nicht fortgerissen und ist fähig, sie zu überwachen und zu beurteilen und alles zurückzuweisen, was zurückgewiesen werden muss, sowie alles anzunehmen und zu bewahren, was zum wahren Bewusstsein und der wahren Erfahrung gehört. …“

„Das Mental derart zu beruhigen, dass keine Gedanken aufkommen, ist nicht einfach und dauert gewöhnlich lange Zeit. Das Wichtigste ist, eine Ruhe im Mental zu fühlen, so dass die Gedanken, sobald sie auftauchen, weder stören noch das Mental ergreifen oder es veranlassen, ihnen zu folgen, sondern dass sie es einfach durchkreuzen und verschwinden. Zunächst wird das Mental zum Betrachter dieses Hindurchziehens der Gedanken und ist nicht mehr der Denker; später wird es fähig, die Gedanken gar nicht mehr zu betrachten, sondern sie unbemerkt vorbeiziehen zu lassen und sich mühelos auf sich selbst oder das gewählte Objekt zu konzentrieren. …“

„Der Unterschied zwischen einem leeren Mental und einem stillen Mental ist folgender: Wenn das Mental leer ist, gibt es keinen Gedanken, keine Begriffe, keine mentale Tätigkeit irgendwelcher Art, außer einer essentiellen Wahrnehmung von Dingen ohne die geformte Idee; doch im ruhigen Mental ist es die Substanz des mentalen Wesens, die still ist – so still, dass nichts sie stört. Sobald Gedanken oder Tätigkeiten aufkommen, erheben sie sich keinesfalls aus dem Mental, sondern kommen von außerhalb und durchkreuzen das Mental wie ein Zug Vögel, der die windstille Luft durchzieht. Er fliegt vorüber, er stört nichts und hinterlässt keine Spur. Selbst wenn tausend Bilder oder die gewaltsamsten Ereignisse es durchkreuzen, bleibt diese ruhige Stille erhalten, so als wäre die eigentliche Beschaffenheit des Mentals eine Substanz aus ewigem, unzerstörbarem Frieden. Ein Mental, das diese Ruhe erlangt hat, kann zu handeln beginnen, sogar intensiv und machtvoll zu handeln beginnen, doch wird es seine grundlegende Stille bewahren – nichts aus sich hervorbringend, sondern von Oben empfangend und diesem eine mentale Form verleihend, ohne etwas Eigenes hinzuzufügen, ruhig, leidenschaftslos, doch in der Freude der Wahrheit, in der glücklichen Macht und dem glücklichen Licht ihres Hindurchziehens.“

„Denke immer daran, dass eine innere Ruhe, die durch die Läuterung des rastlosen Mentals und Vitals entsteht, die erste Voraussetzung für eine sichere Sadhana ist. Denke als nächstes daran, dass es bereits ein großer Schritt ist, die Gegenwart der [Göttlichen] Mutter zu fühlen, während man eine äußere Tätigkeit verrichtet, das heißt, ein Schritt, den man ohne beträchtlichen inneren Fortschritt nicht zu tun vermag. …“

Ruhe, Stille, Friede, Schweigen

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Jedes der Worte “Friede, Stille, Ruhe, Schweigen” hat seine eigene nuancierte Bedeutung, es ist aber nicht leicht, sie zu definieren.

  • Friede (peace) – śānti
  • Stille (calm) – sthiratā
  • Ruhe (quiet) – acañcalatā
  • Schweigen (silence) – niścala-nīravatā

Ruhe ist ein Zustand, in dem es keine Rastlosigkeit oder Unruhe gibt.
Stille ist ein regloser, unbewegter Zustand, den keine Unruhe beeinträchtigen kann – es ist ein weniger negativer Zustand als Ruhe.
Friede ist ein noch positiverer Zustand; er bringt das Gefühl einer gefestigten und harmonischen Ruhe und Befreiung mit sich.
Schweigen ist ein Zustand, in dem es keine Regung des Mentals oder des Vitals gibt, vielmehr eine große Stille, die keine Oberflächenbewegung durchdringen oder verändern kann.“

Ruhe ist, wenn das Mental oder Vital nicht unruhig oder rastlos ist und nicht von Gedanken oder Gefühlen fortgerissen oder bedrängt wird. Wir sprechen von einem ruhigen Mental oder Vital besonders dann, wenn beide losgelöst sind und Gedanken und Gefühle als Oberflächenbewegung betrachten.
Stille ist ein positiverer Zustand und nicht nur die Abwesenheit von Rastlosigkeit, Überaktivität oder Sorge. Wenn eine klare, große oder kraftvolle Ruhe eingetreten ist, die nichts stört oder stören kann, sagen wir, dass die Stille gefestigt ist.“

Stille ist eine starke und positive Ruhe, fest und solid – gewöhnliche Ruhe ist reine Verneinung, einfach die Abwesenheit von Störung.
Friede ist eine tiefe Ruhe, die nichts stören kann – eine Ruhe mit dem Gefühl einer gefestigten Sicherheit und Loslösung.
Im vollkommenen Schweigen gibt es entweder keine Gedanken oder aber die auftauchenden Gedanken werden als etwas von außen Kommendes empfunden, die das Schweigen nicht stören.
Das Schweigen des Mentals und der Friede oder die Ruhe im Mental sind drei Dinge, die sehr eng zusammengehören und einander bedingen.“

„Ist der Friede im Wesen einmal voll gefestigt, dann werden diese Dinge (die Reaktionen des niederen Vitals) ihn nicht mehr erschüttern können. Sie mögen zunächst als kleine Wellen an der Oberfläche erscheinen, dann nur als Einflüsse, die man betrachtet oder die zu betrachten man nicht der Mühe wert hält, auf keinen Fall aber gelangen sie in das Innere und beeinflussen oder stören auf irgendeine Weise. …“

„Sobald der Friede und das Schweigen einmal völlig gefestigt sind, können keinerlei Bewegungen an der Oberfläche sie verletzen oder zerstören. Sie vermögen alle Bewegungen des Universums zu tragen und bleiben dennoch unverändert.“

„Wenn du den Frieden erlangt hast ist es einfach, das Vital zu läutern. Wenn du aber nur fortwährend läuterst und sonst nichts tust, wird es lange dauern – denn das Vital wird immer wieder unrein und muss hundertmal von neuem geläutert werden. Der Friede ist etwas in sich selbst Reines, ihn zu erlangen also ein positiver Weg, dir dein Ziel zu sichern. Nach Schmutz Ausschau zu halten und ihn zu beseitigen, ist der negative Weg.“

„Natürlich. Es ist durchaus normal, einen gefestigten Frieden im inneren Wesen zu empfinden, auch wenn es Störungen an der Oberfläche gibt. Tatsächlich ist das der normale Zustand eines Yogi, bevor er die absolute samatā [Gleichmut] im ganzen Wesen erlangt hat.“

Gleichmut (samatā)

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Gleichmut bedeutet, in allen Umständen unberührt zu bleiben.“

„… Gleichmut bedeutet, ein ruhiges und unbewegtes Mental und Vital zu haben; er bedeutet, von Dingen, die geschehen, die gesagt oder dir angetan wurden, nicht berührt oder gestört zu werden, sondern sie mit geradem Blick zu betrachten, frei von den Verzerrungen, die durch das persönliche Gefühl entstehen; er bedeutet, zu erkennen zu versuchen, was hinter ihnen steht, warum sie geschehen, was von ihnen gelernt werden kann, was es in einem selbst ist, wogegen sie geworfen werden, und welchen inneren Nutzen oder Fortschritt man durch sie gewinnen kann; Gleichmut bedeutet die Meisterung der vitalen Regungen, wie Ärger, Empfindlichkeit und Stolz, Begehren und all das übrige; er bedeutet, dass man ihnen nicht erlaubt, vom emotionalen Wesen Besitz zu ergreifen und den inneren Frieden zu stören; er bedeutet, im Ansturm oder Impuls dieser Dinge nicht zu sprechen und zu handeln, sondern immer nur in der ruhigen inneren Ausgeglichenheit des Spirits. Es ist nicht leicht, diesen Gleichmut in vollem Umfang zu haben, doch sollte man versuchen, ihn mehr und mehr zur Grundlage des inneren Zustandes und der äußeren Bewegungen zu machen. …“

„Es gibt keine feste Grundlage in der Sadhana ohne Gleichmut, samatā. Wie unerfreulich die Umstände und wie unangenehm das Verhalten der anderen auch sein mögen, du musst lernen, es mit vollkommener Ruhe und ohne aufgeregte Reaktion hinzunehmen. Diese Dinge sind der Prüfstein des Gleichmuts. Es ist ein leichtes, ruhig und gleichmütig zu sein, solange alles gut geht und Menschen und Umstände angenehm sind; erst wenn das Gegenteil der Fall ist, wird die Vollständigkeit der Stille, des Friedens und des Gleichmuts geprüft, gestärkt und vollendet werden.“

„Die Festigung der vollkommenen samatā dauert lange und hängt von drei Dingen ab: von dem Selbstgeben der Seele an das Göttliche durch die innere Hingabe, von der Herabkunft der spirituellen Stille und des spirituellen Friedens und von der stetigen, langwierigen und beharrlichen Zurückweisung aller egoistischen, rajasischen und anderen Gefühle, die der samatā entgegen gerichtet sind. …“

„Gleichmut ist ein sehr wichtiger Teil dieses Yoga; es ist notwendig, bei Schmerz und Leiden den Gleichmut zu bewahren – damit ist gemeint, sie stark und still zu ertragen und nicht rastlos, beunruhigt oder niedergeschlagen zu sein –, und es bedeutet, mit stetem Glauben an den Göttlichen Willen vorwärtszuschreiten. Gleichmut aber heißt nicht träge Hinnahme. Wenn zum Beispiel ein Bemühen in der Sadhana zeitweilig fehlschlägt, hat man den Gleichmut zu bewahren und nicht besorgt oder bedrückt zu sein; doch darf man den Fehlschlag nicht als Zeichen des Göttlichen Willens betrachten und die Bemühung aufgeben. Du solltest vielmehr den Grund und die Bedeutung des Fehlschlags erkennen und voller Glauben auf den Sieg zuschreiten. Ebenso ist es mit der Krankheit – du darfst nicht besorgt, erschüttert oder beunruhigt sein, du darfst die Krankheit nicht als Göttlichen Willen annehmen, sondern musst sie vielmehr als eine Unvollkommenheit des Körpers betrachten, von der du dich zu befreien hast, so wie du dich von mentalen Unvollkommenheiten oder mentalen Irrtümern zu befreien suchst.“

„Yogische samatā ist die Gleichheit der Seele, der Gleichmut, der sich auf dem Gefühl des einen Selbstes gründet, des einen Göttlichen überall – den Einen trotz aller Verschiedenheiten, Abstufungen und Ungleichheiten der Manifestation erkennend. …“

„Zweifellos sind Hass und Fluchen nicht die richtige Haltung. Es ist ebenfalls richtig, dass die gebührende yogische Haltung jene ist, alle Dinge und Menschen mit ruhigem Blick zu betrachten und in seinem Urteil distanziert und unparteiisch zu sein. Ein Zustand vollkommenen Gleichmuts, samatā, kann erreicht werden, wenn man alles als gleich betrachtet, einschließlich der Freunde und Feinde, und wenn man sich durch das Tun der Menschen oder durch die Geschehnisse nicht erregen lässt. Die Frage ist, ob dies alles ist, was von uns gefordert wird. Wenn dem so ist, dann wird die allgemeine Einstellung die sein, eine neutrale Gleichgültigkeit gegenüber allem zu bewahren. Die Gita [Bhagavadgītā] jedoch, die so sehr auf vollkommener und absoluter samatā beharrt, sagt weiterhin: «Kämpfe, vernichte den Gegner, siege!» Solange keine gezielte Tätigkeit verlangt wird, keine Treue gegenüber der Wahrheit im Gegensatz zur Falschheit – außer für die persönliche Sadhana –, kein Wille, dass die Wahrheit siege, dann genügt die samatā der Neutralität. Doch hier [in diesem Yoga] hat eine Arbeit zu geschehen, eine Wahrheit muss sich durchsetzen, gegen die ungeheure Kräfte aufgeboten sind, unsichtbare Kräfte, welche sichtbare Dinge, Personen und Tätigkeiten als ihre Instrumente benützen können. Wenn man zu den Jüngern gehört, zu den nach Wahrheit Suchenden, dann muss man sich auf die Seite der Wahrheit und gegen die Kräfte stellen, die sie angreifen und unterdrücken wollen. Arjuna wollte auf keiner Seite stehen, er wollte jede feindliche Handlung, selbst die gegen die Angreifer meiden; Sri Krishna, der so sehr samatā forderte, tadelte diese Haltung aufs entschiedenste und bestand gleichzeitig darauf, dass er den Gegner bekämpft. «Sei gleichmütig» sagt er, «erkenne genau die Wahrheit – und kämpfe.» …”

Sādhanā im Integralen Yoga

Das Ziel des Integralen Yoga ist die Transformation der gesamten niederen menschlichen Natur (Physis, Vital und Leben) in eine göttliche Natur. Aus diesem Grund schliesst die Sādhanā des Integralen Yoga keine Lebensbereiche aus, oder wie Sri Aurobindo es sagt: „All Life is Yoga – Alles Leben ist Yoga.“

Bei der Sādhanā des Integralen Yoga wird die Veranlagung und Natur des Sādhaka, der Sādhikā berücksichtigt, wodurch diese sich immer individuell gestaltet und keine allgemeine Form annimmt.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„In diesem Yoga ist das allgemeine Prinzip des Selbstgebens und Selbstweihens für alle gleich, doch schlägt jeder hierfür seinen eigenen Weg ein. Der von X gewählte Weg ist gut für X, genauso, wie der von dir eingeschlagene Weg für dich der richtige ist, da er mit deiner Natur übereinstimmt. Wenn es nicht diese Plastizität und Vielfalt gäbe, wenn man alle in die gleiche Schablone pressen würde, wäre der Yoga ein starrer, mentaler Mechanismus und keine lebendige Kraft. …“

„Es ist nicht immer ungefährlich, für sich in die Praxis umzusetzen, was für einen anderen festgelegt wurde. Jeder Sadhak ist ein Fall für sich, und eine mentale Regel starr für all jene anzuwenden, die den Yoga ausüben, ist nicht immer oder nur selten möglich. Was ich an X schrieb, war für X bestimmt und für ihn richtig; doch angenommen, es würde sich um einen anderen Sadhak mit einer anderen groben, vitalen Natur handeln, könnte ich zu ihm das anscheinend reine Gegenteil sagen, nämlich: «Sitze fest auf deinen niederen vitalen Neigungen, befreie dich von deiner Gier nach Nahrung, denn sie ist ein ernsthaftes Hindernis auf deinem Weg; es wäre besser für dich, in deinen Gewohnheiten asketisch zu sein, als in diesem Teil gemeinhin tierisch, so wie du es jetzt bist!» Zu jemandem, der im Eifer seines Strebens nicht genügend Nahrung zu sich nimmt oder nicht genügend schläft und ruht, könnte ich dagegen sagen: «Iss mehr, schlafe mehr, ruhe dich besser aus, überanstrenge dich nicht und meide den asketischen Geist in deiner tapasyā.» Zu dem Nächsten mit der gegensätzlichen Übertreibung könnte ich in einer ganz anderen Sprache sprechen. Jeder Sadhak hat seine eigene Natur oder Veranlagung der Natur, und die Yoga-Entwicklungen zweier Sadhaks, selbst wenn sie gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, sind selten genau gleich.“

Der Integrale Yoga ist eine Synthese aller Yogaarten mit einem zusätzlichen neuen Element, siehe auch mein Blogbeitrag YOGA – seine Bedeutung, Methoden und Ziele.

Dadurch können auch Methoden des dreifachen Pfades der Werke (Karma-Yoga), der Erkenntnis (Jñāna-Yoga) durch Konzentration und Meditation sowie der Liebe und Hingabe (Bhakti-Yoga) bei der Sādhanā miteinbezogen werden.

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

Meditation ist ein Mittel der Annäherung an das Göttliche und ein großer Weg, doch kann man sie nicht als Abkürzung bezeichnen – denn meist ist es ein langer und höchst schwieriger, wenn auch sehr hoher Aufstieg. Sie kann unter gar keinen Umständen eine Abkürzung genannt werden, außer sie bringt eine Herabkunft, und selbst dann ist das nur eine rasch gelegte Grundlage; nachher muss durch die Meditation auf dieser Grundlage mühsam ein großer Überbau errichtet werden. Sie ist absolut unerlässlich, hat aber nichts von einer Abkürzung an sich.

Ein viel einfacherer Weg ist karma, die Arbeit, vorausgesetzt das eigene Mental ist auf das karma nicht bis zum Ausschluss des Göttlichen fixiert. Das Ziel ist das Göttliche, und die Arbeit kann nur ein Instrument sein. Zu dichten usw. bedeutet, die Verbindung mit dem inneren Wesen aufrechtzuerhalten, und weiterhin die Vorbereitung des direkten Kontaktes mit dem innersten Wesen zu fördern; doch darf man hier nicht haltmachen, sondern muss zur eigentlichen Sache fortschreiten. Zu glauben, ein Literat, ein Dichter oder Maler zu sein, sei etwas, das um seiner selbst willen wertvoll ist, hat nichts mehr mit yogischem Geist zu tun. Daher muss ich manchmal betonen, dass wir Yogis sind und nicht etwa Maler oder Dichter usw..

Liebe, bhakti, Hingabe, das seelische Sich-Öffnen sind die einzigen Abkürzungen zum Göttlichen – oder können es sein. Denn wenn Liebe und bhakti zu vital sind, schwankt man voraussichtlich zwischen ekstatischer Erwartung und viraha, abhimāna und Verzweiflung usw. hin und her, die keine Abkürzungen sind, sondern ein langer Weg, ein Zick-Zack Pfad – kein gerader Flug, sondern ein Kreisen um das eigene Ego, statt eines schnellen Ausschreitens auf das Göttliche zu.“

Sādhanā durch Arbeit (Karma)

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Nein, ohne Sadhana kann das Ziel des Yoga nicht erreicht werden. Die Arbeit als solche muss als Teil der Sadhana betrachtet werden. Natürlich hast du, während du arbeitest, an die Arbeit zu denken, und du wirst lernen, sie im yogischen Bewusstsein als einem Instrument zu tun, und immer an das Göttliche zu denken.“

„Was eine Tat yogisch macht, ist der Geist und das Bewusstsein, in denen sie verrichtet wird – nicht die Tat als solche.“

„Das gewöhnliche Leben besteht aus der Arbeit für ein persönliches Ziel und die Befriedigung des Begehrens unter einer gewissen mentalen oder moralischen Kontrolle, die manchmal von einem mentalen Ideal beeinflusst ist. Der Yoga der Gita besteht aus der Darbringung der eigenen Arbeit als Opfer für das Göttliche, aus der Überwindung des Begehrens, aus der egolosen und wunschlosen Tat, aus bhakti für das Göttliche, aus dem Eintreten in das kosmische Bewusstsein, aus dem Gefühl des Einsseins mit allen Geschöpfen und aus der Einung mit dem Göttlichen. Unser Yoga [Integraler Yoga] fügt all dem das Herabbringen des supramentalen Lichtes und der supramentalen Kraft (als sein höchstes Ziel) sowie die Umwandlung der menschlichen Natur hinzu.“

„Die einzige Arbeit, die spirituell reinigt, ist diejenige, die ohne persönliche Beweggründe geschieht, ohne Wunsch nach Ruhm, öffentlicher Anerkennung oder weltlicher Größe, ohne Beharren auf den eigenen mentalen Motiven oder vitalen Lüsten und Ansprüchen oder physischen Vorlieben, ohne Eitelkeit oder grobe Selbst-Anmaßung, ohne Forderung nach Stellung oder Ruhm – eine Arbeit, die allein um des Göttlichen willen und auf Befehl des Göttlichen geschieht. Alle Arbeit, die in egoistischer Haltung verrichtet wird, wie nützlich sie auch für die Menschen in der Welt der Unwissenheit sein mag, ist ohne Nutzen für den Suchenden im Yoga.“

„Es sollte kein Verlangen nach Macht vorhanden sein, kein Ehrgeiz und kein Egoismus der Macht. Die Macht oder Mächte, die zu einem kommen, sollten nicht als die eigenen betrachtet werden, sondern als Göttliche Gaben für die Ziele des Göttlichen. Man sollte darauf achten, dass kein ehrgeiziger oder selbstsüchtiger Missbrauch getrieben wird, dass kein Stolz, keine Eitelkeit, kein Gefühl der Überlegenheit, keine Forderung, kein Egoismus des Instrumentes vorhanden ist, sondern ein einfaches und reines Abgestimmtsein der Natur in jeder Weise, die für den Dienst am Göttlichen taugt.“

„Selbst-Weihung hängt nicht von einer bestimmten Arbeit ab, die du tust, sondern von dem Geist, in dem alle Arbeit, welcher Art sie auch sei, verrichtet wird. Jegliche Arbeit, die gut und sorgsam als ein Opfer für das Göttliche geschieht, ohne Begehren oder Egoismus, mit einem ausgeglichenen Mental, mit stiller Gelassenheit in Glück oder Unglück, um des Göttlichen willen und nicht wegen irgendeines persönlichen Gewinnes, einer Belohnung oder eines Ergebnisses, sondern in dem Bewusstsein, dass es die Göttliche Macht ist, der alle Arbeit angehört – solche Arbeit ist ein Mittel der Selbst-Weihung durch karma.“

„Die Vorstellung von Größe oder Kleinheit ist der spirituellen Wahrheit natürlich durchaus fremd… Spirituell gibt es nichts Großes oder Kleines. Solche Ideen gleichen denen der gebildeten Leute, die glauben, ein Gedicht zu schreiben sei eine erhabene Arbeit, und Schuhe zu machen oder ein Essen zu kochen sei etwas Kleines und Niederes. Alles aber ist gleich in den Augen des Spirits – nur der innere Geist, in dem eine Sache geschieht, zählt. Genauso ist es mit einer bestimmten Art von Arbeit, es gibt nichts Großes oder Kleines.“

„Beinahe jeder Künstler – es mag seltene Ausnahmen geben – hat in seinen vitalphysischen Teilen etwas von einem Menschen der Öffentlichkeit an sich, das ihn nach dem Anreiz eines Publikums, nach gesellschaftlichem Beifall, nach der Befriedigung der Eitelkeit, nach Anerkennung und Ruhm verlangen lässt. Das muss vollkommen verschwinden, wenn du ein Yogi sein willst – deine Kunst muss Dienst sein, und zwar weder an deinem Ego noch an irgend jemand oder irgend etwas, sondern allein am Göttlichen.“

„Du brauchst nicht das zu tun, was dir missfallt, sondern musst aufhören Missfallen zu empfinden. Nur das zu tun, was dir gefällt, heißt dem Vital nachzugeben und dessen Herrschaft über die Natur aufrechtzuerhalten – das ist das eigentliche Prinzip der ungewandelten Natur, von ihren Neigungen und Abneigungen beherrscht zu werden. Das Prinzip des Karma-Yoga ist, alles mit Gleichmut zu tun, und in diesem Yoga ist der wahre seelische und vitale Zustand der, alles freudig zu tun, da man es für die [Göttliche] Mutter tut.“

„Die niederen Wesensteile beginnen in der Regel – ich meine in ihrem ungewandelten Zustand – sich dann zu interessieren und zu begeistern, wenn sich das Ego mit dem Interesse mischt. Doch in dem Maße, wie sie mehr und mehr gewandelt und geläutert werden, kann der reine Enthusiasmus sie ergreifen, und dann werden sie zu unentbehrlichen Kräften für die Sadhana.“

„Es ist ein sehr gutes Zeichen, dass trotz der vollen Arbeit das innere Wirken dahinter gefühlt und das Schweigen gefestigt wurde. Für den Sadhak kommt einmal eine Zeit, in der auch während der vollen Arbeit oder im Schlaf, während des Sprechens oder bei jeder Art von Tätigkeit das Bewusstsein und die tiefere Erfahrung erhalten bleiben.“

„Es ist zunächst nicht einfach, sich der [Göttlichen] Gegenwart während der Arbeit zu erinnern; wenn man aber das Gefühl der Gegenwart unmittelbar nach der Arbeit beleben kann, genügt es. Mit der Zeit wird das Gefühl der Gegenwart auch in der Arbeit etwas Automatisches werden.“

„Alles sollte ruhig von innen her geschehen – Arbeiten, Sprechen, Lesen, Schreiben – als Teil des wirklichen Bewusstseins und nicht mit der zerstreuten, unruhigen Bewegung des gewöhnlichen Bewusstseins.“

„Ja, es ist ein Fehler, sich zu überanstrengen, weil daraufhin eine Reaktion eintritt. Wenn Energie vorhanden ist, darf man sie nicht ganz verausgaben, sondern muss etwas speichern, um die dauernde Stärke des menschlichen Systems zu mehren.“

„… Wenn du dich durch zu langes oder rastloses Arbeiten überanstrengst, stört oder schwächt dies das Nervensystem, das Vital-Physische, und es liefert dich dem Wirken von falschen Kräften aus. Zu arbeiten, doch ruhig, um einen steten Fortschritt zu erreichen – das ist der rechte Weg.“

„Ja, wenn das rechte Bewusstsein immer vorhanden wäre, gäbe es keine Ermüdung.“

„Der beste Weg, sich für das spirituelle Leben vorzubereiten, solange man noch einer gewöhnlichen Arbeit in einer gewöhnlichen Umgebung nachgeht, besteht darin, vollkommenen Gleichmut, eine [innere] Loslösung und den samatā [Gleichmut] der Gita zu entwickeln, ferner den Glauben zu haben, dass das Göttliche hier ist, dass der Göttliche Wille in allen Dingen wirkt, wenn auch gegenwärtig noch unter den Bedingungen einer Welt der Unwissenheit. Jenseits davon sind das Licht und der ānanda [Glückseligkeit], auf die das Leben hinarbeitet; der beste Weg aber, um ihre Ankunft und Errichtung im einzelnen Wesen und der einzelnen Natur zu beschleunigen, besteht darin, in diesen spirituellen Gleichmut hineinzuwachsen. Das würde auch deine Schwierigkeiten mit unangenehmen und unerwünschten Dingen lösen. Allem Unangenehmen sollte man in diesem Geist der samatā begegnen.“

Sādhanā durch Konzentration, Meditation und Japa

Sri Aurobindo unterscheidet Konzentration und Meditation in ‚Briefe über den Yoga, Band 2‘ wie folgt:

Konzentration bedeutet, in einem bestimmten Zustand das Bewusstsein auf einen Ort oder ein Objekt zu lenken.
Meditation kann weitschweifig sein, indem man zum Beispiel über das Göttliche nachdenkt, Eindrücke empfängt und beurteilt, indem man beobachtet, was in der menschlichen Natur vor sich geht, und innerlich darauf einwirkt usw..“

Konzentration ist ein ‚Zusammen-Sammeln‘ des Bewusstseins, um es entweder an einem Punkt zu zentralisieren oder einem bestimmten Objekt zuzuwenden, zum Beispiel dem Göttlichen; es kann ebenfalls ein gesammelter Zustand im gesamten Wesen bestehen und nicht nur an einem Punkt.
In der Meditation ist es nicht unerlässlich, sich derart zu sammeln, sondern man verharrt einfach mit ruhigem Mental, denkt an etwas Bestimmtes oder beobachtet, was in das Bewusstsein eintritt, und setzt sich damit auseinander.“

Konzentration bedeutet in unserem Yoga, wenn sich das Bewusstsein in einem bestimmten Zustand (zum Beispiel im Frieden) oder in einer Bewegung (zum Beispiel im Streben, im Willen oder darin, die Verbindung mit der [Göttlichen] Mutter aufzunehmen, oder ihren Namen zu benützen) festigt;
Meditation dagegen ist, wenn das innere Mental die Dinge betrachtet, um das rechte Wissen zu erlangen.“

Sādhanā durch Konzentration

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Nun zur Konzentration. Meist ist das Bewusstsein überall, es ist zerstreut und bewegt sich in allen Richtungen auf der Suche nach diesen oder jenen Gegenständen und nach Objekten mannigfacher Art. Wenn irgendetwas Dauerhaftes geschehen soll, muss als erstes dieses ganze verstreute Bewusstsein zurückgezogen und konzentriert werden. …
Das yogische Bewusstsein ist einfach eine Ausdehnung und Intensivierung der gleichen Sache. Es kann auf ein Objekt gerichtet sein, so als würde man sich auf einen leuchtenden Punkt konzentrieren, trāṭaka – dann muss man sich so konzentrieren, dass man nur diesen Punkt sieht, und darf keinen anderen Gedanken haben als diesen. Es kann auf eine Idee, ein Wort oder einen Namen gerichtet sein, auf die Idee des Göttlichen, die Silbe OM, den Namen Krishna oder aber auf eine Kombination von Idee und Wort oder von Idee und Namen. Darüber hinaus konzentriert man sich im Yoga auch auf einen bestimmten Ort. …“

„Es schadet nicht, sich manchmal im Herzen [Herzzentrum] und manchmal [im Zentrum] über dem Kopf zu konzentrieren. Doch Konzentration auf einen dieser Orte bedeutet nicht, die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt zu richten; du musst vielmehr das Bewusstsein an einem dieser Orte verankern und dich von dort nicht auf den Ort, sondern auf das Göttliche konzentrieren. Dies kann mit geschlossenen Augen oder mit geöffneten Augen geschehen, was dir gerade am besten liegt.“

„Zu Beginn ist auf längere Zeit die Konzentration erforderlich – man muss sich zu ihr sogar unter Umständen zwingen –, da die menschliche Natur und das Bewusstsein noch nicht bereit sind. Trotzdem ist die Konzentration umso besser, je natürlicher und ruhiger sie ist. Wenn jedoch das Bewusstsein und die Natur dann einmal so weit sind, muss die Konzentration zu jeder Zeit ohne Anstrengung spontan und leicht möglich sein. Zuletzt wird sie zum natürlichen und bleibenden Zustand des Wesens – sie ist dann nicht mehr Konzentration, sondern die gefestigte Gelassenheit der Seele im Göttlichen.
Es ist wahr, konzentriert zu sein und gleichzeitig eine äußere Arbeit zu verrichten, ist zu Beginn nicht möglich. Es wird jedoch möglich werden. Entweder teilt sich das Bewusstsein in zwei Teile, wobei der eine, innere Teil im Göttlichen ruht und der andere, äußere die äußerliche Arbeit verrichtet – oder aber, das ganze System ist derart ausgeglichen, dass die Kraft durch das passive Instrument die Arbeit tut.“

„… Konzentration ist sehr hilfreich und notwendig; je mehr man sich konzentriert (natürlich innerhalb der Möglichkeiten des Körpers und ohne diesen anzustrengen), desto mehr wächst die Kraft des Yoga. …“

„… Anspannung und Konzentration sind nicht das gleiche. Anspannung bezieht Übereifer mit ein, eine gewaltsame Bemühung, während die Konzentration ihrem Wesen nach ruhig und stetig ist. Sobald Rastlosigkeit oder Übereifer vorhanden sind, ist es keine Konzentration.“

„Beim Lesen oder Denken ist der rechte Platz für yogische Konzentration am Scheitelpunkt des Kopfes oder darüber.“

Sādhanā durch Meditation

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„1. Was bedeutet Meditation tatsächlich?
Zwei Worte werden im Englischen für den indischen Begriff des dhyāna gebraucht, ‚Meditation‘ und ‚Kontemplation‘.
Meditation bedeutet eigentlich die Konzentration des Mentals auf einen bestimmten Gedankengang, der ein bestimmtes Thema ausarbeitet.
Kontemplation bedeutet, mental ein bestimmtes Objekt zu betrachten, ein Bildnis, eine Idee, so dass sich im Mental durch die Kraft der Konzentration auf natürliche Weise das Wissen über das Objekt, das Bildnis oder die Idee bildet. Beides sind Formen von dhyāna, denn das Prinzip des dhyāna ist mentale Konzentration, sei es der Gedanken, der Schau oder des Wissens.
Es gibt noch andere Formen von dhyāna. Vivekananda empfiehlt dir in einem Textabschnitt, von deinen Gedanken zurückzustehen, sie in deinem Mental nach ihrem Belieben treiben zu lassen und sie lediglich zu beobachten, um zu erkennen, von welcher Art sie sind. Man könnte es Konzentration auf die Selbst-Beobachtung nennen.
Dies führt zu einer anderen Form, dem Freimachen des Mentals von allen Gedanken, was eine Art reiner, aufmerksamer Leere zurücklässt, in die das göttliche Wissen kommen und sich einprägen kann, ungestört von den niedrigeren Gedankengängen des gewöhnlichen menschlichen Mentals und mit der Klarheit einer weißen Kreideschrift auf einer schwarzen Tafel. Du wirst feststellen, dass die Gita von dieser Zurückweisung allen mentalen Denkens als einer der Methoden des Yoga spricht und diese Methode sogar zu bevorzugen scheint. Man könnte sie den dhyāna der Befreiung nennen, da sie das Mental von der Versklavung an den mechanischen Denkprozess befreit und ihm anheimstellt, zu denken oder nicht zu denken, wann und wie es ihm beliebt, oder aber seine eigenen Gedanken zu wählen oder das Denken zu überschreiten und zur reinen Wahrnehmung der Wahrheit zu gelangen, die in unserer Philosophie vijñāna genannt wird.
Meditation ist der leichteste Vorgang für das menschliche Mental, doch in seinem Ergebnis am beschränktesten. Kontemplation ist schwieriger, doch größer; die Selbstbeobachtung und Befreiung von den Fesseln des Denkens ist das schwierigste von allem, jedoch in seinem Ergebnis am weitesten und größten. Man kann irgendeine dieser Formen wählen, entsprechend der eigenen Neigung und Fähigkeit. Die vollkommene Methode ist, sie alle zu gebrauchen, jede an ihrem Ort und zu ihrem Zweck; hierzu wäre aber ein gefestigter Glaube, eine gefestigte Geduld und eine große Willenskraft in der Anwendung des Yoga vonnöten.

2. Welcher Art sollte der Gegenstand oder die Idee der Meditation sein?
Was immer am meisten mit deiner Natur und deinen höchsten Bestrebungen in Einklang steht. Wenn du mich um eine klare Antwort bittest, muss ich sagen, dass Brahman immer das beste Objekt für die Meditation oder Kontemplation ist; und die Vorstellung, auf die sich das Mental konzentrieren sollte, ist: Gott in allem, alles in Gott und alles wie Gott. Es ist grundsätzlich gleichgültig, ob es der Unpersönliche oder der Persönliche Gott ist oder subjektiv das Eine Selbst. Doch ist dies meinem Empfinden nach die beste Vorstellung, da sie die höchste ist und alle anderen Wahrheiten umfasst, seien es die Wahrheiten dieser Welt oder anderer Welten oder die jenseits aller phänomenalen Erscheinungsform – ‚all dies ist Brahman‘.

3. Innere und äußere höchst wesentliche Voraussetzungen für die Meditation.
Es gibt keine wesentlichen äußeren Voraussetzungen, doch sind sowohl Einsamkeit und Abgeschlossenheit während der Meditation als auch die Stille des Körpers hilfreich und für den Anfänger nahezu unumgänglich. Man sollte aber durch äußere Voraussetzungen nicht gebunden sein. Hat sich einmal die Gewohnheit der Meditation geformt, sollte es möglich sein, sie unter allen Voraussetzungen durchzuführen, liegend, sitzend, gehend, allein, in Gesellschaft, in der Stille oder inmitten des Lärms usw..
Die erste erforderliche innere Voraussetzung ist die Konzentration des Willens gegen die Hindernisse der Meditation, zum Beispiel das Umherschweifen des Mentals, Vergesslichkeit, Schlaf, physische und nervöse Ungeduld, Rastlosigkeit usw..
Die zweite Voraussetzung ist eine wachsende Reinheit und Ruhe des inneren Bewusstseins (citta), aus dem sich Gedanken und Gefühle erheben, das heißt die Befreiung von allen störenden Reaktionen, wie Ärger, Schmerz, Niedergeschlagenheit, Besorgnis über weltliche Ereignisse usw.. Mentale Vollkommenheit und Moral sind immer eng miteinander verbunden.“

„Man kann die Sadhana ausüben, ohne festgelegte Meditationsstunden zu haben.“

„Sobald die Meditation etwas Natürliches geworden ist, wird man nicht mehr müde. Solange aber die Fähigkeit hierzu noch nicht vorhanden ist, geht es bei vielen nicht ohne eine gewisse Anstrengung, die zur Ermüdung führt.“

„Wenn man zu meditieren versucht, besteht ein Druck, sich nach innen zu wenden, das [äußere] Wachbewusstsein zu verlieren und innerlich, in einem tief inneren Bewusstsein zu wachen. Zunächst aber verwechselt dies das Mental mit dem Druck, in Schlaf zu fallen, da der Schlaf die einzige Art inneren Bewusstseins ist, die es kennt. Daher ist im Yoga der Meditation der Schlaf oft ein erstes Hindernis; wenn man aber durchhält, verändert sich der Schlaf allmählich in einen inneren, bewussten Zustand.“

„… citta ist die Substanz des vermischten mental-vital-physischen Bewusstseins, aus dem sich die Bewegungen des Denkens, des Gefühls, der Erregung, des Impulses usw. erheben. Im System des Patanjali müssen diese völlig zur Ruhe gebracht werden, damit das Bewusstsein reglos wird und in den samādhi-Zustand eintreten kann.
Unser Yoga [Integraler Yoga] hat eine andere Aufgabe. Die Bewegungen des gewöhnlichen Bewusstseins müssen beruhigt werden, und in diese Ruhe ist ein höheres Bewusstsein mit seinen Mächten herabzubringen, das die menschliche Natur umwandelt.“

Sādhanā durch Japa (Rezitieren von Mantren)

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„Japa [die Wiederholung eines mantra oder eines der Namen Gottes] ist gewöhnlich nur unter einer von zwei Voraussetzungen erfolgreich – wenn es mit dem Gefühl seiner Bedeutung gebraucht wird, wenn das Mental bei der Natur, der Macht, der Schönheit, dem Reiz der Gottheit verweilt, die das japa bezeichnen und ins Bewusstsein bringen soll – das ist der mentale Weg; oder wenn es vom Herzen aufsteigt oder in ihm klingt mit einem bestimmten Sinn oder Gefühl der bhakti, die es lebendig macht – das ist der emotionale Weg. Es muss entweder vom Mental oder Vital unterstützt oder erhalten werden. Doch wenn es das Mental trocken und das Vital rastlos macht, so ist es ein Zeichen, dass ihm diese Unterstützung und Erhaltung fehlt. Es gibt natürlich einen dritten Weg, nämlich sich auf die Macht des mantra oder Namens als solchen zu verlassen; dann aber muss man damit fortfahren, bis diese Macht ihre Vibration hinreichend dem inneren Wesen aufgeprägt hat, um es in einem bestimmten Augenblick plötzlich der Gegenwart oder der Berührung zu öffnen. Wenn man aber darum ringt oder auf dem Erfolg beharrt, wird diese Wirkung verzögert, die eine ruhige Empfangsbereitschaft erfordert. …“

„… Die Aufgabe eines Mantra ist, Schwingungen im inneren Bewusstsein zu erzeugen, die es für die Verwirklichung dessen vorbereiten, was das Mantra symbolisiert und tatsächlich in sich birgt. ….“

„Das Gayatri-mantra ist das mantra, welches das Licht der Wahrheit auf alle Ebenen des Wesens bringt.“

„Welcher Name auch immer gerufen wird, die Macht, die antwortet, ist die der [Göttlichen] Mutter. Jeder Name bedeutet einen bestimmten Aspekt des Göttlichen und wird durch diesen Aspekt begrenzt; die Macht der Mutter ist universal.“

„Wenn man ein mantra regelmäßig wiederholt, beginnt es häufig, sich innerlich von selbst zu wiederholen, was bedeutet, dass es durch das innere Wesen aufgenommen wurde. Auf diese Weise ist es wirkungsvoller.“

„… In diesem Yoga gibt es kein festgelegtes mantra, und es wird auch kein Wert auf mantras gelegt – der Sadhak kann jedoch ein solches anwenden, wenn oder solange er es hilfreich findet. …“

Sādhanā durch Liebe und Hingabe (Bhakti)

Sri Aurobindo in Briefe über den Yoga, Band 2:

„… Menschliche Liebe besteht aus Gefühl, Leidenschaft und Begehren, lauter vitale Bewegungen und daher notwendigerweise Unzulänglichkeiten der menschlich-vitalen Natur. Gefühl ist trotz all seiner Mängel und Gefahren eine ausgezeichnete und unerlässliche Sache in der menschlichen Natur – genauso wie mentale Ideen ausgezeichnete und unerlässliche Dinge in ihrem eigenen Bereich in der menschlichen Entwicklung sind. Unser Ziel aber ist, die mentalen Ideen zu überschreiten und in das Licht der supramentalen Wahrheit einzutreten, die nicht auf begrifflichem Denken, sondern auf der unmittelbaren Schau und Identität beruht. In gleicher Weise ist unser Ziel, über das Gefühl hinaus zur Höhe und Tiefe und Intensität der Göttlichen Liebe zu gelangen und dort durch das innere seelische Herz ein unerschöpfliches Einssein mit dem Göttlichen zu fühlen, das durch das sprunghafte Emporschießen der vitalen Emotionen weder erreicht noch erfahren werden kann.
So wie die supramentale Wahrheit nicht allein eine Sublimierung unserer mentalen Ideen ist, ist auch die Göttliche Liebe nicht allein eine Sublimierung der menschlichen Gefühle; es ist ein anderes Bewusstsein, ein Bewusstsein von anderer Beschaffenheit, Bewegung und Substanz.“

„Die Göttliche Liebe wird sich möglicherweise – so wie die Menschheit derzeit beschaffen ist – noch nicht so voll und frei auf der physischen Ebene manifestieren können, wie es ihr an sich möglich wäre, weshalb sie aber nicht weniger nah oder intensiv als die menschliche [Liebe] ist. Sie ist vorhanden und wartet darauf, verstanden und angenommen zu werden, und gibt dir unterdessen jede Hilfe, die anzunehmen du in der Lage bist, um dich in ein Bewusstsein zu erheben und zu weiten, in welchem sich diese Schwierigkeiten und Missverständnisse nicht mehr ereignen können – in den Zustand, in dem die volle und vollkommene Einung möglich ist.“

„Was die menschliche und die göttliche Liebe anbelangt, so möchte ich hinzufügen, dass ich die erstere als etwas anerkenne, wovon wir auszugehen haben, um zur letzteren zu gelangen; wir müssen die menschliche Liebe intensivieren und in sich selbst umwandeln, sie aber nicht ausschließen. Die Göttliche Liebe ist zudem meiner Ansicht nach nichts Ätherisches, Kaltes und Fernes, sondern eine absolut intensive Liebe, innerlich und voll des Einsseins, der Nähe und des Entzückens, und die ganze menschliche Natur für ihren Ausdruck gebrauchend. Natürlich ist sie ohne die Wirrnisse und Unordnung der gegenwärtigen niederen vitalen Natur, die sie in etwas ganz Warmes, Tiefes und Intensives wandeln wird; dies aber ist kein Grund anzunehmen, dass sie von dem, was in den Elementen der Liebe wahr und glücklich ist, etwas verlieren wird.“

„Das Wesen der bhakti ist Verehrung und Anbetung sowie die Selbst-Darbringung an etwas, das größer ist als man selbst; das Wesen der Liebe ist ein Gefühl der Nähe und Einung oder das Suchen danach. Das Selbst-Geben liegt im Wesen von beidem, beides ist im Yoga notwendig und jedes für sich erhält erst seine volle Kraft, wenn es vom anderen unterstützt wird.“

„Bhakti ist keine Erfahrung, es ist ein Zustand des Herzens und der Seele. Es ist ein Zustand, der eintritt, wenn das seelische Wesen erwacht ist und hervortritt.“

„In diesem Yoga ist die Emotion notwendig; es ist lediglich die übersteigerte emotionale Sensitivität, die einen über kleine Dinge verzweifeln lässt und die überwunden werden muss. Die eigentliche Grundlage dieses Yoga ist bhakti, und wenn man sein emotionales Wesen abtötet, kann es keine bhakti geben. Daher kann die Emotion nicht vom Yoga ausgeschlossen werden.“

„Die gewöhnlichen vitalen Emotionen sind es, die Energie verschwenden und die Konzentration und den Frieden stören und die verhindert werden müssen. Emotion als solche ist nichts Schlechtes; sie ist ein notwendiger Teil der menschlichen Natur, und die seelische Emotion ist eine der machtvollsten Hilfen der Sadhana. Diese seelische Emotion, welche die Tränen der Liebe für das Göttliche oder die Tränen des ānanda [Glückseligkeit] auslöst, sollte nicht unterdrückt werden; es ist allein das vitale Gemisch, das die Störung in der Sadhana verursacht.“

„Das Göttliche und die Wahrheit haben immer eine persönliche und eine unpersönliche Seite, und es ist ein Fehler anzunehmen, dass allein die unpersönliche wahr oder wichtig ist; denn wenn man nur einer Seite Genüge tut, führt das in einem Teil des Wesens zu einer leeren Unvollkommenheit. Das Unpersönliche ist Sache des intellektuellen Mentals und des statischen Selbstes, das Persönliche hingegen ist Sache der Seele, des Herzens und des dynamischen Wesens. Jene, die das persönliche Göttliche außer acht lassen, übersehen etwas, das tief und wesentlich ist. …“

„Das Strömen der Hingebung und Liebe ist etwas, das, je öfter es sich wiederholt, je öfter es erwacht, zwangsläufig alle Teile des Wesens erfasst und seine Wirkung auf sie ausübt.“

Fazit

Sri Aurobindo hatte stets betont, dass ein innerer Ruf des seelischen Wesens notwendig ist, um die Sādhanā des Integralen Yoga erfolgreich zu praktizieren. Der erste Schritt ist immer eine innere Öffnung zur Seele hin.

Sri Aurobindo hat keine allgemeingültige Sādhanā nach aussen preisgegeben. Glücklicherweise hat er tausende Briefe an seine Schülerinnen und Schüler verfasst. Diese Briefe wurden später gesammelt und in Buchform herausgegeben, siehe auch mein Blog-Beitrag Briefe über den Yoga, Sri Aurobindo.

Auch wenn Sri Aurobindo und die MUTTER die physische Welt verlassen haben, arbeiten Sie auf der subtil-physischen (feinstofflichen) Ebene weiter. Hingabe und Überantwortung an Sri Aurobindo und die MUTTER sind der Weg, um Anweisungen von innen über die eigene Sādhanā zu erhalten.

Trotz individueller Sādhanā im Integralen Yoga, können folgende Gemeinsamkeiten auf diesem Pfad erwähnt werden:

  • Zurückweisung der Impulse der niederen Natur
  • Öffnung nach Innen (seelische Öffnung)
  • Öffnung nach oben (spirituelle Öffnung)
  • Überantwortung an die göttliche Mutter (Śakti)

Ich danke Wilfried Huchzermeyer für die Durchsicht des Textes.